Agile Methoden unter der Lupe

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In der jüngsten Vergangenheit wurden wieder einige Studien zum Stand agiler Methoden im Projektmanagement angefertigt, die, wenn man ihre Ergebnisse miteinander vergleicht, unglaublich interessante Trends hervorbringen.

Studie der OOSE Innovative Informatik GmbH

Die älteste betrachtete Studie zu agilen Methoden, ist die PM-Studie der OOSE Innovative Informatik GmbH von 2009 zum Einfluss klassischer und agiler Techniken auf den Erfolg von IT-Projekten. Die Ergebnisse beruhen auf einer Umfrage von 130 Personen aus dem PM-Umfeld, die je ein erfolgreiches und ein gescheitertes Projekt aus ihrer Erfahrung beurteilten.

Kommunikation ist König

Eines der beschriebenen Ergebnisse war, dass Projekte generell besser enden, wenn man innerhalb des Projektverlaufs häufigen Kontakt zu seinen Kunden hat. Häufiger Kundenkontakt scheint also ein großer Erfolgsfaktor zu sein und bewies sich in der Studie gerade durch Inhouse-Entwicklungsprojekte. Dabei ging man scheinbar davon aus, dass die Kommunikation zwischen internem Dienstleister und internem Auftraggeber durch die Nähe im Unternehmen in der Regel besser ist. Insgesamt schnitten deutlich mehr Projekte mit kontinuierlichem Kundenkontakt mehrmals pro Woche gut ab. Ein Ergebnis, das mich nicht unbedingt wundert, denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Projekte mit externen Mitarbeitern ohne Präsenzzeiten immer schleppender verlaufen, als mit einem Team vor Ort.

Ein weiterer Erfolgsfaktor aus der Studie, der auf Kommunikation beruht, war das Einbeziehen der Entwickler in Projektmanagement-Tätigkeiten, wie z.B. Aktualisierungen des Projektplans.

Richtung durch Timeboxes und Prioritäten

Iteratives Vorgehen, insbesondere das Einhalten von strikten Timeboxes, erwies sich als erfolgreicher. Dabei war die Länge der Timeboxes zwar irrelevant, aber in erfolgreichen Projekten wurden dennoch oft Timeboxes zwischen 3 Wochen und einem Monat eingesetzt.

Die Priorisierung der Tasks und der Fehler scheint ebenfalls ein Erfolgskriterium zu sein. Insgesamt hielten agile Projekte Liefertermine besser ein und wiesen eine höhere Qualität auf.

Erstaunlicherweise hält OOSE agiles Vorgehen für Festpreisprojekte besser geeignet. Einen Beitrag zum Thema Scrum und Festpreisprojekte findet man auch im Blog von Boris Gloger (Scrum und Festpreis), der die Meinung von OOSE offensichtlich teilt.

Der Abendvortrag Techniken für den Projekterfolg – Ergebnisse der oose Projektmanagement-Studie auf der Seite http://www.oose.de/nuetzliches/fachliches/pm-studie/ fasst die Studie in einer Ergebnispräsentation leichtverdaulich zusammen.

Umfrage 2011 von VersionOne

Der US-amerikanische Softwarehersteller VersionOne, Inc. veröffentlichte nun mittlerweile zum sechsten Mal seinen State of Agile Survey. Für den Bericht für 2011 wurden Einzelpersonen aus den verschiedensten Bereichen der Softwareentwicklungen befragt. Die Grundlage für die Umfrage war eine Gesamtzahl von eingereichten 6042 Antworten.

Scrum hat die Nase vorn

Scrum stellt in der Umfrage mit 52% den überwiegenden Anteil an agilen Methoden. Gefolgt von Scrum/XP Hybriden (14%) und für die eigenen Zwecke angepassten Hybriden (9%).

Beliebte agile Techniken

Die 5 am ehesten eingeführten agilen Techniken sind tägliche Standup Meetings, eine Iterationsplanung, Unit Tests, eine Releaseplanung und Burndowncharts.

Gründe für die Einführung agiler Methoden

Die 5 am wichtigsten genannten Gründe für die Einführung agiler Methoden war die Verkürzung der Time to Market, das Management von Prioritäten, die Verbesserung der Produktivität, die Ausrichtung der IT an Geschäftszielen und eine verbesserte Softwarequalität.

Verbesserungen durch die Einführung agiler Methoden

Tatsächlich erwiesen sich die folgenden 5 Punkte als erfolgreich:
84% der Befragten nannten das Management von Prioritäten als Verbesserung, danach folgen Projekttransparenz (77%), verbesserte Produktivität (75%), verbesserte Team Moral (72%) und eine kürzere Time to Market (71%).

Verbreitung agiler Methoden

Große Unternehmen ( > 500 Mitarbeiter ) setzen weniger oft agile Methoden ein (13%), während kleine Unternehmen, häufiger zu agilen Methoden tendieren (75%). Dazu bestehen in großen Unternehmen oft die Hürden für eine Einführung zu 27% in der fehlenden Unterstützung durch das Management und zu 26% in der generell fehlenden Bereitschaft sich zu verändern.

Studie des BPM-Labor der Hochschule Koblenz

Die jüngste Studie zum Thema Status Quo Agile, Verbreitung und Nutzen agiler Methoden kommt vom BPM-Labor der Hochschule Koblenz. 322 Personen aus 19 verschiedenen Branchen nahmen an der Studie teil und hinterließen 266 vollständig auswertbare Fragebögen

Die vom BPM-Labor zitierten Haupterkenntnisse der Studie sind:

Agile Methoden werden mehrheitlich mit klassischen Methoden kombiniert (sowohl als auch-Nutzung oder Mischform).

Die Nutzung agiler Methoden geht mit einer wesentlich veränderungsorientierten Unternehmenskultur einher.

Fast ein viertel der Anwender, die agile Methoden einsetzen, tun dies im Non-IT-Bereich.

Die Nutzung agiler Methoden hat seit 2008 einen sehr starken Aufschwung genommen.

Kanban, Extreme Programming und insbesondere Scrum sind die verbreitesten agilen Methoden.

Umsteiger auf agile Methoden sehen deutliche(!) Verbesserung der Erfolgsquote.

Scrum wird von durchgängig agilen Nutzern zu 100% als gut oder sehr gut bewertet.

Die Anwender agiler Projektmanagementmethoden bewerten die von Ihnen genutzten Praktiken in allen Kriterien (Gesamtbewertung, Termintreue, Mitarbeiterzufriedenheit) besser als die Anwender klassischer PM-Methoden.

Nur 5% der Nutzer agiler Methoden sehen keine Verbesserungen bei Ergebnissen und Effizienz.

Anwender agiler Methoden waren als Unternehmen im Branchenvergleich in den letzten 3 Jahren erfolgreicher als die Anwender klassischer PM-Methoden (Eigeneinschätzung).


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Die Ergebnisse zusammengefasst

Aus allen drei Umfrageergebnissen lassen sich für mich einige wichtige Trends ableiten, auch wenn die Umfragen sich nicht unbedingt miteinander vergleichen lassen.

Kommunikation

Kommunikation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, der durch agile Verfahrensweisen deutlich unterstützt wird. Auch in der klassischen Welt ist das richtige Maß an Kommunikation wichtig, aber Scrum bspw., unterstützt durch seine Meetings und der Product Owner Rolle die Kommunikation nach innen zum Team und nach außen zum Kunden.

Priorisierung

Die Priorisierung von Aufgaben und Fehlern bildet einen wichtigen Baustein zur Kundenorientierung. Kunden haben sich verändernde Anforderungen, auf die Einfluss genommen werden muss. Dies funktioniert nur in einem diszipliniert geführten Backlog, das nach seinen höchsten Prioritäten abgearbeitet wird und innerhalb von Timeboxes verwertbare Produktinkremente garantiert.

Scrum

Scrum hat sich unter den agilen Methoden als die am häufigsten eingesetzte etabliert. Scrum wird in Unternehmen in der Reinform und auch in unternehmensspezifischen maßgeschneiderten Mischformen eingesetzt.

Werkzeuge

Die Werkzeuge und Artefakte agiler Methoden setzen sich zusehens nicht nur im Projektalltag durch. Standups, priorisierte Backlogs, Burndown Charts, Produktinkremente und Iterationen halten Einzug in den Unternehmen.

Kultur

Ob Unternehmen ihre Kultur durch den Einzug von agilen Methoden verändern oder ob Unternehmen, die eine gute Kultur haben, den Einsatz von agilen Methoden erst ermöglichen, kann ich nicht beurteilen, aber eins scheint sicher zu sein, agile Methoden gehen immer mit einer gute Unternehmenskultur einher.

Fazit

Agile Methoden halten vermehrt Einzug in der Projektwelt und dies nicht mehr nur im Bereich der Softwareentwicklung. Scrum setzt sich zusehens durch, nicht zuletzt wegen der Beteiligung der Teammitglieder und seiner Transparenz. Sieht man sich den State of Agile Survey seit 2008 an bestätigt der die Studie des BPM-Labor der Hochschule Koblenz, dass es seit 2008 einen deutlichen Zuwachs gibt. Es beibt spannend, wie sich dieser Trend weiterentwickelt. Interessant wäre noch, aus welchen Branchen sich diese Ergebnisse tatsächlich zusammensetzen und welche Bereiche außerhalb der IT sich an agile Methoden herangewagt haben.

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2 Kommentare

  1. Hallo Thomas,

    wirklich guter Beitrag. Ich arbeite weiter an hybriden Ansätzen und wir erzielen hier auch weiterhin sehr gut Ergebnisse. Die Studien bekräftigen einen ja nur in diese Richtung. Ich komm mal im Oktober in die Rhein-Main Region, dann können wir uns mal wieder ausgiebig kurz schliessen.

    VG
    Stefan

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